Teilhabe ist kein Luxus!

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Kritik an Friedrich Merz’ Plänen zur Kürzung der Sozialausgaben – ein gefährlicher Rückschritt für soziale Gerechtigkeit

Die jüngsten Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz zur Begrenzung der Ausgaben im sozialen Bereich, insbesondere in der Jugend- und Eingliederungshilfe, werfen erhebliche Fragen nach seinem Verständnis von sozialstaatlicher Verantwortung auf. Seine Rede auf dem Kommunalkongress, in der er die jährlichen Kostensteigerungen von bis zu zehn Prozent als „nicht länger akzeptabel“ bezeichnete, ist nicht nur politisch kurzsichtig, sondern auch sozial gefährlich.
 
1. Ignoranz gegenüber den Ursachen der Kostensteigerung
Merz reduziert die Debatte um soziale Leistungen auf eine rein fiskalische Perspektive. Dabei ignoriert er vollständig die strukturellen Ursachen der gestiegenen Ausgaben. Die genannten Steigerungsraten sind nicht Ausdruck von Verschwendung oder ineffizientem Verwaltungshandeln, sondern eine direkte Folge gesellschaftlicher Realitäten:
  • Tarifsteigerungen im sozialen Bereich sind kein Luxus, sondern ein überfälliger Schritt zur gerechten Entlohnung von Fachkräften, die seit Jahren unterbezahlt und überlastet arbeiten.
  • Der demographische Wandel führt dazu, dass mehr Menschen mit Unterstützungsbedarf länger leben – eine Errungenschaft der modernen Medizin, die der Staat nicht mit finanziellen Restriktionen bestrafen darf.
  • Soziale Ungleichheit, gerade durch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, hat massiv zugenommen. Familien in Armut sind auf Hilfen angewiesen, weil es oft keine strukturellen Alternativen gibt.
Diese Aspekte lässt Merz völlig außer Acht. Stattdessen zeichnet er das Zerrbild eines ausufernden Sozialsystems, das sich selbst gefährdet – eine Darstellung, die nicht nur realitätsfern ist, sondern soziale Spaltung vertieft.
 
2. Latente Stigmatisierung von Leistungsberechtigten
Indem Merz suggeriert, die bisherigen Ausgaben seien überzogen oder „nicht länger akzeptabel“, unterstellt er indirekt, dass es an der Anspruchsberechtigung vieler Menschen Zweifel geben müsse. Diese Rhetorik spielt gefährlich mit Vorurteilen und grenzt gesellschaftliche Gruppen aus. Sie fördert den Eindruck, als würden Menschen mit Behinderung oder Kinder aus armen Familien „zu viel“ vom Staat bekommen – ein zutiefst unsozialer und spalterischer Gedanke.
 
3. Gefährliche Prioritätensetzung – Kassenlage vor Menschenwürde
Der Versuch, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen oder benachteiligten Kindern in einen direkten Konflikt mit der „Leistungsfähigkeit öffentlicher Haushalte“ zu bringen, stellt eine bedenkliche Abkehr vom Grundverständnis des Sozialstaates dar. Die Gleichstellung von Menschen darf niemals unter Haushaltsvorbehalt stehen. Wenn Teilhabe, Förderung und Unterstützung abhängig werden vom Kassenstand der Kommune, droht ein Flickenteppich sozialer Gerechtigkeit – mit gravierenden Folgen für gesellschaftlichen Zusammenhalt.
 
4. Verfassungsrechtliche bedenklich – Grundrechte als Verhandlungsmasse
Leistungen der Jugend- und Eingliederungshilfe sind keine freiwilligen Wohltaten, sondern leiten sich aus gesetzlich und verfassungsrechtlich garantierten Ansprüchen ab – etwa dem Recht auf Teilhabe, Gleichbehandlung und Schutz der Familie. Wer hier den Rotstift ansetzt, spielt mit der Aushöhlung fundamentaler Rechte.
 
Fazit: Ein neoliberales Ablenkungsmanöver auf Kosten der Schwächsten
Die Äußerungen von Friedrich Merz sind Ausdruck eines politischen Kurses, der sich zunehmend vom Prinzip der Solidarität verabschiedet. Statt an den tatsächlichen Ursachen wachsender Haushaltsbelastungen – wie Steuerungerechtigkeit, wachsender Reichtumskonzentration oder struktureller Unterfinanzierung kommunaler Haushalte – anzusetzen, sucht Merz den Weg des geringsten Widerstandes: den Sozialstaat zu schleifen, wo sich Betroffene politisch kaum wehren können.
Ein Bundeskanzler, der vorgibt, für die Mitte der Gesellschaft zu sprechen, darf nicht gleichzeitig bereit sein, auf dem Rücken der Schwächsten zu sparen. Wer an Jugend- und Eingliederungshilfe spart, spart an Zukunft, Chancengleichheit und Menschenwürde.